Atenco
Polizeieinsatz fordert Todesopfer


Eigentlich nur ein paar Blumenverkäufer. Eigentlich nur ein Markt. Eigentlich nur ein Dorf. Unglaubliche Szenen spielen sich dieser Tage in der mexikanischen Hauptstadtprovinz ab. Am morgen des dritten Mai wurde ein nicht genehmigter, aber seit langem etablierter Blumenmarkt in der Gemeinde Texcoco / Atenco von der Bundespolizei (PFP) umstellt und gewaltsam geräumt. An diesem unverhältnismäßigem Polizeieinsatz entzündet sich nun der Zorn der Marktverkäufer und Dorfbewohner.

Die Situation eskaliert zusehens, während in der Gemeinde viele Regierungsbüros gestürmt und besetzt wurden, kommt es auf den Zufahrtsstraßen zur Gemeinde immer wieder zu zusammenstößen zwischen aufständigen und den Regierungstruppen. Brennende Autos, Barrikaden, die Situation gerät völlig außer Kontrolle. Die Aufständigen haben mindestens 5 Polizisten in ihre Gewalt gebracht und wollen diese erst freilassen, wenn die Polizei sich aus Atenco zurückzieht. Mittlerweile gibt es ein Todesopfer unter den Aufständigen: Ein 14 jähriger Junge starb bei den Auseinandersetzungen mit der Polizei.


Chronologie der Auseinandersetzungen

10. April: Landarbeiter der Berge von Texcoco fahren mit ihren Blumen zum Belisario Dominguez Markt um sie dort zu verkaufen. Sie werden von 100 Polizisten und 20 Mitarbeitern der Stadtwerke beobachtet.

20. April: Wieder sind die Blumenverkäufer auf den Markt gekommen. 1000 Polizisten, die aus vielen Teilen des Staates zusammen gezogen wurden erreichen den Markt. Auch 50 Mitarbeiter der Stadtwerke sind vor Ort. Als es zu Festnahmen kommt, eskaliert die Situation und es kommt zu Gewalttätigkeiten.

21. April: Die Betroffenen suchen die öffentliche Debatte und fordern ihre Waren auf dem Markt anbieten zu dürfen.

25. April: Die "andere Kampagne" besucht die Region.

Mittwoch, 3. Mai:
7:00 - Die Blumenzüchter beginnen, ihre Stände aufzubauen. Als die Polizei einschreitet, wehren sie sich und werfen mit Steinen auf die Polizisten. Einige werden festgenommen.
8:30 - Die Dörfler solidarisieren sich und blockieren die Autobahn von Mexico City nach Texcoco, um ein Nachrücken der Bundespolizei zu verhindern.
10:50 - Ca. 400 Polizisten befinden sich vor dem Markt.
15:00 - Mehr als 400 Polizisten kreisen ein Haus ein, in dem sich ca. 50 Menschen befinden. Die Einheimischen bringen 6 Polizisten in ihre Gewalt.
17:00 - Ein 14 jähriges Kind stirbt bei einer Auseinandersetzung zwischen Landarbeitern und der Bundespolizei. Eine Granate explodiert in seiner unmittelbaren Nähe.
17:54 - Subcomandante Marcos erklärt bei einer Rede in Tlatelolco den "Roten Alarm" für die Zapatistengebiete. Die Polizei kesselt die Menschen im Zentrum Texcocos ein, in den folgenden Stunden werden über 100 Menschen festgenommen, die Protestaktionen weiten sich aus, Studenten der CCH Sur blockieren die "Avenida Insurgentes" in den Höhen von San Angel.

Donnerstag, 4. Mai:
Die Polizei erobert unter massivem Gaseinsatz die Stadt zurück, bereits über 200 Festnahmen, Ignacio del Valle, Bauernführer der Organisation "Völker in Verteidigung des Landes" wird in ein Hochsicherheitsgefängnis überführt, mehrere Straßen werden durch Anhänger der Sechsten Erklärung blockiert, Hubschrauber überfliegen die Stadt und die Demonstranten werden von der Polizei umzingelt.
Fünf AusländerInnen - Mario Alberto Aguirre Tomic aus Chile, Studentin der Nationalen Schule für Anthropologie und Geschichte, Samantha Dietmar, Journalistin aus Deutschland, Maria Sostres Torrida und Cristina Vals Fernandez, beide aus Spanien, sowie Valentina Palma Novoa, Filmemacherin aus Chile - werden festgenommen, als sie versuchen, den blutigen Übergriff der 5.000 Polizeikräfte in San Salvador Atenco zu dokumentieren. Aufnahmen zeigen ihre Festnahme, bei der Polizeikräfte brutal auf die fünf Betroffenen einschlagen, obwohl diese keinerlei aggressives Verhalten zeigen und deutlich erkennbare Ausweise tragen, die ihre Arbeit als freie Journalisten bestätigen. Während Valentinas Festnahme - Tochter eines Exilchilenen - begann sie zu schreien "Ich bin Valentina Palma", eine der eingeübten Regeln aus der Zeit der Diktatur. Auf diese Weise kann man eine Person nicht ohne weiteres verschwinden lassen, da die Leute in der Nähe mitbekommen, dass gerade jemand festgenommen wurde. Valentina verschwand zusammen mit den vier übrigen Genannten und alle schrien ihre Namen.

Freitag, 5. Mai:
Ausgehend von der Universidad Autónoma Chapingo soll die gewaltfreie Wiedereinnahme San Salvador Atencos versucht werden. Die Andere Kampagne und die Front der Gemeinden zu Verteidigung des Landes (FPDT) stellen klar, dass sie bezüglich eines möglichen Dialogs die Freilassung aller Festgenommenen und das Wiederauftauchen der Verschwundenen von Atenco (insgesamt etwa 300 Personen) fordern.
Die Andere Kampagne wirft dem Präsident vor, mit Dummheit zu agieren, dem Gouverneur des Bundesstaates Enrique Peña Nieto Undurchsichtigkeit und dem Landkreispräsident von Texcoco, dem PRDista Nazario Gutiérrez, Verrat. Daher sei die Andere Kampagne die einzige Kraft, auf die die Bevölkerung vertrauen könne.

 

*** SPENDENAUFRUF ATENCO ***

Im Kontext der staatlichen Repression gegen die Angehörigen der Front der Gemeinden zur Verteidigung der Erde (FPDT) von Atenco und die Angehörigen der "Anderen Kampagne" aus ganz Mexiko rufen wir zu einer Spendenaktion auf! Die Spendenkampagne läuft zunächst bis Ende Mai.
Unsere Solidarität wird dringend benötigt!

Wir werden die Gelder Anfang Juni über GenossInnen in Mexiko direkt an die Rechtshilfefonds und die betroffenen Mitgliedsgruppen der "Anderen Kampagne" übergeben. Über diese Emailliste werden wir die eingegangenen Spenden auf anonymisierte Weise dokumentieren und so alle SpenderInnen auf dem Laufenden halten.

Spendenkonto:
L. Kerkeling
Konto-Nummer 111 054 318
Sparkasse Münsterland Ost BLZ 400 501 50
Stichwort: MEXIKO


Bitte schreibt weiter Protestbriefe, -faxe und -emails, macht Aktionen und informiert die Menschen über die Gewalt und die Lügen der mexikanischen Eliten gegen die "Andere Kampagne".

¡Viva La Otra Campaña! ¡Viva el EZLN!