Aus dem Notizheft des Gato-Perro: 11. September 2019
"… UND BIS HIN ZU CHAUFFEURINNEN ZU SEIN" Synopse: Apokalyptische Version. Ein Virus, hergestellt in den Laboratorien der Illuminaten, verbreitet sich in den Bergen des Südosten Mexikos. Aus irgendeinem merkwürdigen Grund trifft er nur die Gesetzes-Übertreterinnen der sich selbst so bezeichneten Zapatistas (4). Der Virus bringt sie dazu, Dinge außerhalb jeglicher Vernunft und Logik zu tun; sie rebellieren, leisten Widerstand. Er gibt ihnen ein, in ausschließlich für Männer bestimmte Aufgaben- und Arbeitsbereiche einzudringen. In diesem Dokumentarfilm versammeln sich einige Augenscheinlichkeiten ihrer Disziplinlosigkeit, ihres Ungehorsams; und man sieht, wohin es die Zapatistinnen führt, um frei zu sein – nun gut, Sie werden es nicht glauben – bis dahin Chauffeurinnen zu sein. Habe ich es nicht gesagt? Hören Sie, es gibt einfach keine Werte mehr. Synopse: "Es gibt kein Happy End". Eine Gruppe von zapatistischen indigenen Frauen sagen sich und sprechen es aus: "Ya basta!". Sie rebellieren und möchten frei sein, bis hin Chauffeurinnen zu sein. Eine Gruppe unerschrockener und mutiger Männer, Parteianhänger, haben sich entschieden, sie herauszufordern; sie verspotten und bedrohen sie. Sie fordern die Frauen dazu auf, in die Küche zurückzukehren und Kinder zu kriegen. Die Übertreterinnen der patriarchalen (und der Transit-) Gesetze gehen in Konfrontation. Es verlieren die Männer; die Frauen gewinnen. Nun gut, es hilft alles nichts, darum sage ich ja: Es gibt kein Happy End. Synopse: "Sie machten weiter". Synopse: Version "Scheiß-Typen". Während des zweiten Kurses erzählten uns die Compañeras, dass in ihren Dörfern, die Parteianhänger ihnen manchmal (dumme) Sprüche zurufen und sie verspotten, wenn sie mit dem Auto der Comunidad üben. Und somit sagten sie uns, wir Lehrer der Chauffeurologie sollten es so machen wie die Parteianhänger: Dumme Sprüche machen und sie verspotten. Ja, um sie auch darin zu trainieren. Das heißt, wir haben geschauspielert, wie man so sagt, und wie es uns die Teresa und der Cochiloco erklärt haben. (Anmerkung: Der Sprecher bezieht sich auf die Schauspielerin Dolores Heredia und den Schauspieler Joaquín Cosío und deren Filmrollen in Capadocia und in El infierno. Die Zapatistas nennen die Filmschauspieler nicht mit ihrem realen Namen, sondern mit einem ihrer Filmrollen. Beim ersten Filmfestival im November 2018 nahmen sich die Teresa und der Cochiloco – jeder für sich – Zeit und Form, um sich mit den Insurgentas und Insurgentes (7) im Privaten zu unterhalten, währenddessen sie sich mit Truthahn-Tamales (8) vollstopften. Diese beantworteten alles, was sie gefragt wurden. Was sie mit der Teresa – als Frauen, die wir sind (9) – besprachen, das wissen nur sie. Auf jeden Fall gingen die Tamales zu Ende; sie ließen mir nicht eine einzige übrig. Ende der Anmerkung.) Nun, sie zeigten uns, wie man schauspielt; das heißt, sie erklärten uns, das Schauspielen sei nicht real, jedoch musst du so handeln als sei es real, als sei es wahrhaftig so. Nun denn, so machten wir es. Einige Compas taten sogar so als ob sie besoffen wären, aber das war nur für die Schauspielkunst. Ah, aber als die Compañera mit dem Schlagstock ausstieg, da war nichts mit Schauspielerei oder so, da hieß es, rennen, denn vielleicht hatte die Compañera vergessen, es sei ja alles nicht real, wir seien doch Compañeros und wollte uns (wirklich) eins drübergeben. Ich rief ihnen noch zu, dass mit einem Stück Karton oder mit einer gefalteten Zeitung… Aber was willst du machen, wenn sie ein Eisenrohr ergreifen? Das tut weh. Häh? Nun ich sah, sie waren froh, weil sie gemerkt hatten, ja, sie können. Nicht mit Worten, sondern in der Praxis haben sie es gezeigt. Jetzt wird das Problem in ihren Dörfern liegen. Stell dir vor, die Sachen kommen an – und den LKW fährt auf einmal eine Frau. Den Parteianhängern wird der Mund offen stehen, und die Compañeras werden ihnen zurufen: "Scheiß Typen!" Äh? Nein, wir nicht, wir sind Compañeros; die anderen, das sind die Scheiß-Typen. Nun, das ist nicht das Gleiche. Synopse: Version "Filtration". Hör mal, das hier wirst du aber nicht aufschreiben. Denn wir Compañeros Lehrer waren später beschämt als es um die Praxis des Filter-Wechsels ging. Eine Compañera, mit ihrem nagua (10) und all dem, machte dies in kurzer Zeit. Danach gingen wir Lehrer los, um den Filter eines LKWs des Rats der Guten Regierung zu wechseln. Verflixt und zugenäht, wir waren sechs, eine halbe Stunde und wir hatten es immer noch nicht geschafft. Wir waren schon dabei, die Compañeras um Unterstützung zu bitten. Letztendlich schafften wir es glücklicherweise. Wenn nicht, was für eine Beschämung wäre das gewesen. Um so schlimmer, wenn es in dem Film, den die Tercias gerade machen, gekommen wäre. -*- (Einfügung von drei Video-Transkriptionen:) - Sprecherin: Heute am 2. September 2019 befinden wir uns im zweiten Workshop der Compañeras Chauffeurinnen. In dieser kleinen Reportage können wir sehen, wie die Compañeras lernen, Autos zu fahren, sowie ein bisschen über Mechanik lernen. - Compañera: Das erste, was wir tun müssen, ist, das Auto zu überprüfen, die Motorhaube (zu öffnen), um zu sehen, ob es Bremsflüssigkeit hat, die Kupplung, ob der Kühler Wasser hat und ob die Autobatterie fest eingesetzt ist. - Frage: Was wirst du üben? - Compañera: Jetzt werde ich Kreisverkehr üben, mit vier Fahrbahnen, vier Einfahrten und vier Ausfahrten. - Frage: Ist es das erste Mal? - Compañera: Ja. Man hört Männer kommentieren und ermutigende Parolen rufen. - Compañera: Frauen und Männer haben denselben Wert und dieselben Rechte. Und nur weil wir Indigene (Frauen) und von der Farbe unserer Mutter Erde sind, bedeutet das nicht, dass wir nicht repräsentieren können. Vorwärts, Frauen der Erde, wir werden triumphieren! Kurzfilm 2: Chauffeurinnen - Warum ist es wichtig, zu überprüfen? - Es ist wichtig, damit wir gut an unser Ziel kommen. Wenn wir etwas transportieren müssen oder Compañeros wohin fahren…, damit kein Unfall oder irgendetwas mit dem Auto passiert. Wir müssen überprüfen, ob alles gut funktioniert, damit wir gut an unser Ziel kommen. - Compañera zu einem männlichen Compañero: Hast du keine andere Arbeit zu erledigen? - Stimme eines männlichen Compañeros: Ah, das ist Mechanik … - Antwort der Compañera: Das ist nicht Mechanik, das ist Elektrik. - Wir werden es jetzt auseinander nehmen. Wir werden nun das Auto, das nicht funktioniert, überprüfen, um gemeinsam mit dem Kollektiv der Compañeras zu sehen, warum es nicht anspringt. Deshalb haben wir es hierher zur Werkstatt gebracht. Compañeras, reicht mir mal das Werkzeug, ich brauche den Imbusschlüssel (14). Nun werden wir es montieren. Wir haben den Anlasser überprüft. Jetzt werden wir ihn ins Auto einsetzen. - Wir möchten wissen, was ihr, die ihr hier versammelt seid, macht. - Wir haben uns hier versammelt, die Fahrschülerinnen aller zapatistischen Caracoles. Als Fahrschülerinnen bereiten wir uns hier auf die Fahrpraxis vor, sowie auf die Mechanik, weil wir gesehen haben, dass es notwendig ist, fahren zu lernen. Damit nicht nur die Männer fahren können. Aber innerhalb der Arbeit, die wir machen, befinden sich auch die Compañeros, die es uns zeigen. - Frage: Compañeras wo fahrt Ihr hin? - Antwort: Wir werden lernen, den ´Guardián" [großer Lastwagen] zu fahren. Ja, wir können es! (Lachen der Compañeras) - Frage: Compañera, was wirst du jetzt machen? - Antwort: Ich werde jetzt diesen großen Lastwagen fahren. - Männer, ungläubig: Was hat sie gesagt? Haha … dass sie den Lastwagen fahren wird … - Eine Compañera zur Chauffeurin: Compañera, und deine Tochter? - Antwort: Ah, habe ich fast vergessen. - Darauf die Antwort der anderen Compañera: Mach dir keine Sorgen! Männer pöbeln rum und machen sich lustig.
Die Compañera beschimpft diese Männer und verscheucht sie. Am Schluß: Ein großer Applaus für die Compañeras. -*- Einige Rezensionen innerhalb der Fachpresse: "Nichts zu machen, wir kleinen Machos haben verloren, again, wieder einmal. Aber wir kehren wieder, auch wenn wir jedes Mal weniger werden. Wenn wir gestern tausende waren, so sind wir heute ein mieses Kontingent derjenigen, die versuchen, das Unvermeidliche zu verhindern." Der SupMarcos (drei Meter unter der Erde) "Nicht alles ist verloren. Wir hegen immer noch die Hoffnung, dass die Compañeras Tercias ihren Dokumentarfilm nicht rechtzeitig zum zweiten Festival Puy Ta Cuxlejaltic fertig stellen. Was würden Pedro Infante und José Alfredo Jiménez (12) sagen, um nicht vom verstorbenen SupMarcos zu sprechen? Was für eine Beschämung, was für eine Schande, was für ein Ding!" Der SupGaleano in der Rubrik: "Taubenzüchter der Welt, vereinigt Euch!"
Der Gato-Perro am Lenkrad… Einige Zeit später… Die Insurgenta Erika: "Compañero Subcomandante Insurgente Moisés, der Rat der Guten Regierung meldet, es gab einen Zusammenstoß zwischen dem Guardián und der Guardiana, und man weiß nicht, wer die eine mit dem anderen zusammenprallen ließ – das heißt, die Guardiana auf den Guardián – und ihm so das Hinterteil verbeulte." Der SupMoy: "Wo ist der SupGaleano?" Die Erika: "Weggelaufen mit dem Gato-Perro. Ich glaube, sie es waren es; ich habe es ihrem Blick entnommen, dass sie was ausgefressen haben." Und währenddessen hoch oben auf einem Ceiba-Baum… Der SupGaleano zum Gato-Perro: "Und ich habe dir gesagt, zuerst den Gang raus. Jetzt fehlt nur noch, dass es regnet und dann haben wir den Salat." Der Gato-Perro zum SupGaleano: "Wau, miau, grrrr." Und es fing an zu regnen, heftig, als ob die Wolken der Erde zuriefen: Es sind die Berge des Südosten Mexikos; es ist Chiapas; es ist Mexiko; es ist Lateinamerika; es ist die Welt, es ist September 2019 – und ja, es regnet.
Anmerkungen der/des Übersetzer*in: übersetzt von lisa-colectivo malíntzin |