Brief der EZLN an Doña Emilia Aurora Sosa Marín
Mit seinem Leben leben wir

1. März 2015

An die Compañera des Honorar-Major Insurgente Félix Serdán Nájera


Compañera Emilia:

Vor einigen Stunden haben wir die Nachricht erhalten. Wir wissen nicht, wie lange es dauern wird, bis diese Zeilen bei Ihnen anlangen werden, aber wir wissen, dass Sie, ungeachtet des Kalenders, aus ihnen die kollektive Umarmung, die wir Ihnen geben, herauslesen können.

Denn auch hier schmerzt das Hinscheiden von Don Félix Serdán Nájera im Morgengrauen des vergangenen 22. Februar, war er doch Ehrenmitglied unserer zapatistischen nationalen Befreiungsarmee.

Hier erinnern wir uns an den zärtlichen und festen Blick von Don Félix, aber auch an Sie erinnern wir uns. So als ob sich in den beiden ein einziger Schritt vereinte. Daher sagen wir, dass uns seine Abwesenheit schmerzt. Aber auch der Schmerz, der jetzt Ihr Herz ergreift, tut uns weh, Doña Emilia.

Daher möchten wir mit diesem Schreiben nicht nur die Erinnerung an den Compañero Félix Serdán hochhalten, wir wollen auch Sie damit umarmen.

Sie und er haben uns mit Ihrem Leben bewiesen, dass Kompromiss und Konsequenz nicht zum Prahlen dienen, sich nicht auf Tribünen messen lassen, durch Scheinwerfer, mit grossen Reden und unheilverkündenden Kalendern.

Denn der Kampf ist kein konjunkturabhängiger Blitz, der alles erleuchtet und dann ins Nichts verschwindet. Er ist ein Licht, obwohl klein, nährt er sich Tag für Tag, zu jeder Stunde. Ein Licht, das sich nicht einzigartig und allmächtig vorkommt. Ein Licht, welches das Ziel hat, sich mit anderen zu vereinen, nicht um einen Moment, sondern um den Weg zu erleuchten, um uns nicht zu verlieren.

In wenigen Worten: Der Kampf verkauft sich nicht, er gibt nicht auf, er wankt nicht.

Er, so wie Sie, haben immer mit einfachem und wahrem Wort zu uns gesprochen, wie jemand, der unsere Träume, unsere Schmerzen und unsere Anstrengungen teilt.

Und wenn wir ihn angehört haben, dann haben wir Sie beide gehört. Und wir haben Sie beide gesehen und sehen Sie noch immer, an unserer Seite auf dem langen Weg des Widerstandes.

Denn wenn es auch keine Worte gibt, die den Schmerz lindern, haben Sie beide uns das Versprechen vererbt, bis zum letzten Atemzug Zapatistas zu sein.

Dieses Ihr Beispiel, das sich in Frauen, Männern und Anderen auf allen Flecken dieser Erde wiederholt und reflektiert, fordert von uns die zwei Schritte und verpflichtet uns zu den zwei Schritten, auf die wir, welche für die Gerechtigkeit, Freiheit und Demokratie kämpfen, bestehen: Widerstand und Rebellion.

Und so wie wir Sie ansehen, so sehen wir uns in Ihren Blicken. Denn Sie beide waren auf dieser Seite ohne sich darum zu kümmern, ob es Mode ist oder gerade konjunkturell passt. Sie sind hier, weil Sie erkannt haben, dass der Weg von hier und der Weg von dort das gleiche Ziel haben.

Ohne dass Sie sich durch die Blicke und Worte von oben stören liessen, haben Sie beide immer das Herz für jene offen gehabt, die sind wie wir. Für jene, die wie wir diesem System absolut nicht trauen, ein System das uns unterdrückt, täuscht und angreift. Für jene, die mit der gleichen zärtlichen Wut, die wir in den Augen des Mayor Insurgente Félix Serdán und in Ihren Augen, Doña Emilia, gesehen haben, ohne Aufhebens, ohne unnötigen Pomp und ohne hohlklingende Erklärungen Tausende Spiegel der Freiheit errichten.

Wir haben gesehen, dass die rot-schwarze Fahne der EZLN die letzte Ruhestatt unseres Compañeros bedeckte. Mit und in ihr waren und sind wir, die Frauen, Männer, Kinder und Alten der zapatistischen nationalen Befreiungsarmee. Mit ihr und ihr sind wir an Ihrer Seite, Doña Emilia.

Und jene, die unter dieser Fahne Schutz finden, werden Ihrem Beispiel folgen. Der Kampf geht weiter. Denn es ist so, dass der Tod keine Ruhe findet, wenn unser Blick am Ende verweilt. Denn hier sind wir der Meinung, dass der Tod nur mit dem Leben geheilt wird, und das Leben ist nur lebenswert wenn man kämpft. Und der Kampf ist nur in der Gemeinschaft fruchtbar.

Daher sterben wir nicht mit Don Félix. Mit seinem Leben leben wir. Mit seinem Leben und dem Leben von vielen, Männern, Frauen, Anderen, die widerstehend und rebellierend sterben. Denn auch wenn es so aussieht, als ob niemand die Fehlenden zählen würde, gibt es die Niemande, die nicht vergessen.

Wir umarmen Sie, obwohl diese Umarmung die Abwesenheiten nicht heilt, kann das Wissen Ihnen und Don Félix darüber Linderung bringen, dass Ihre Blicke sich hier wiederspiegeln, weil wir den gleichen Schritt gehen.

Aus den Bergen des Südostens von Mexiko
im Namen der Frauen, Manner, Kinder und Alten
der zapatistischen nationalen Befreiungsbewegung,

Subcomandante Insurgente Moisés
Subcomandante Insurgente Galeano


PS: Wie uns die Compañeros des Unterstützungskomitess der Sexta informieren, haben sie schon eine kleine Unterstützung übergeben, die wir geschickt haben, als wir die traurige Nachricht erhalten haben. Mit diesem Brief werden sie Ihnen noch etwas übergeben. Es ist nicht viel, denn unsere Mittel sind beschränkt. Aber die Unterstützung unter Compañeros ist nicht messbar. Wir wissen sehr wohl, dass das den Schmerz des Verlustes nicht lindert, aber wir wissen auch, dass Sie auf Grund der langen Krankheit unseres Compañeros finanzielle Probleme haben. Wir sind uns sicher, dass die Compañeras und Compañeros der Sexta auf der ganzen Welt so wie wir bereit sind, Ihnen so weit wie möglich zu helfen.

übersetzt von: RedmycZ, Christine