Worte von Subcomandante Marcos auf dem Nationalen Forum gegen die Repression
Gegen die Unterdrückung . die Andere Kampagne
(Einige Überlegungen zu einem Jahr des Schmerzes genannt Atenco)


I.- VON ATENCO BIS OAXACA

Tag um Tag erhält diese große Bewegung, die wir La Otra Campaña - die Andere Kampagne - nennen, Schläge, Verhaftungen, Verfolgungen, Tode.
Als ob es ein Startschuss gewesen wäre, war der repressive Schlag gegen das Volk von San Salvador Atenco, die Volksfront zur Verteidigung des Landes und die Andere Kampagne der Beginn einer ganzen Reihe von Drohungen, die gegen Organisationen, Gruppen, Kollektive und Individuen gerichtet sind, insbesondere gegen jene, mit denen wir fern der institutionellen Politik zusammenfinden.
Oaxaca fügte seinen Namen zu dem von Atenco, dann folgten Yucatán und San Luis Potosí. Aber sie sind nicht die einzigen. Außer den Schlägen, den Festnahmen und der Folter muss die Andere Kampagne auch die Verleumdung einiger Kommunikationsmedien oder das Schweigen anderer ertragen, die früher noch Einblicke auf die sozialen Bewegungen gewährten.

Es handelt sich nicht nur um die Kriminalisierung des sozialen Kampfes, noch rührt es ausschließlich von der so genannten real existierenden Rechten und der Bundesgewalt her.
Es handelt sich, so denken wir, darum, alte Methoden zu wiederholen, aber mit einer zusätzlichen Botschaft. Wenn gegen die soziale Bewegung ein Schlag geführt wird, dann nicht nur um diese einzuschränken und wegen ihrer Forderungen zu verfolgen, sondern auch und vor allem um sie zu warnen, dass in Mexiko Politik nur in den entsprechenden Institutionen betrieben werden kann, das heißt, in den politischen Wahlparteien.

Noch klarer ausgedrückt: wir dürfen nur Widerspruch anmelden, wenn wir im Voraus akzeptieren, dass unser Protest, unsere Unzufriedenheit, unsere Rebellion, mediatisiert und in das politische Kapital irgendeiner der elektoralen Mächte eingespannt werden.
Mit anderen Worten: die sozialen Bewegungen stellen die Gefangenen, die Toten, die Vergewaltigten, die Geschlagenen; und die politischen Parteien stellen die Abgeordneten.

Wie oft und wie viele Organisationen und Bewegungen sind nicht schon in diese Falle getappt, die von oben und für oben ausgelegt wird, die ihnen verspricht, Freiheit für ihre Gefangenen zu erringen, Toleranz für ihre Mobilisierungen oder Gerechtigkeit für ihre Forderungen, wenn sie sich nur dem Wahlprozess anschließen.
Der neueste Fall: Oaxaca, wo ein Teil der Bewegung, die das untere Mexiko mit Staunen erfüllte, jetzt nach einer Kandidatur strebt und seufzt, die nie zum Zuge kommen wird. Und sie wird nicht zum Zuge kommen, weil die Politik ein Geschäft ist, in dem die Gefangenen und Toten einen Preis haben. Und ihr Preis ist hoch oder niedrig, je nachdem wie hoch sie in der neuen Aktienbörse der modernen Politik in Kurs liegen: den Massenmedien.

Das heißt, wenn die Gefangenen und Toten in den Medien erscheinen und zudem in der so genannten "öffentlichen Meinung" Sympathie hervorrufen, dann macht deine Unterdrückung etwas her.
Wenn sie hingegen nicht im Fernsehen, Radio oder in der gedruckten Presse erscheinen; oder noch schlimmer, wenn sie zwar erscheinen, aber Ablehnung hervorrufen, dann hat deine Repression für die professionellen Politiker keinen Wert ... oder aber es lohnt sich für eine Verurteilung.

Atenco und Oaxaca sind zwei Beispiele.

Atenco.- Als das Fernsehen bis zum Abwinken den Fußtritt wiederholten, den Anwohner einem Präventiven Bundespolizisten in Atenco verpassten, und die "öffentliche Meinung" laut Umfragen "arme Polizei / verdammte Campesinos" lautete, waren die Politiker der institutionellen Linken, Menschenrechtsverteidiger und progressiven Intellektuellen dabei zu richten und zu verurteilen, oder bestenfalls, ein komplizenhaftes und niederträchtiges Schweigen zu bewahren. Es ist bekannt (und im medialen und politischen Spiegel von oben sorgfältig herauseditiert), dass die Partei der Demokratischen Revolution (PRD) im Bundesstaat Mexiko den blutigen Hexensabbat unterstützte und applaudierte, den die staatliche Regierung (PRI) und die Bundesregierung (PAN) seit dem Morgen des 4. Mai 2006 veranstalteten.
Als die Barbarei, die Vergewaltigungen, die Schläge, die Folter, die Unrechtmäßigkeit und Gesetzwidrigkeit des Einsatzes bekannt wurden, schminkten sich Intellektuelle, Medien und Politiker hingegen mit erschütterten und empörten Gesichtern. Aber nur einen Moment lang. Da kamen schon die Wahlen und mit ihnen die Kursnotierungen auf dem Markt der Programme und Prinzipien.

Atenco verbrannte die Hände. Es war wie ein Igel, der egal, wo man ihn anpackte, verletzte und zu Definitionen und Konsequenzen verpflichtete (zwei Worte, die im Wortschatz der modernen politischen Klasse nicht existieren und seit kurzem auch nicht in dem der progressiven Intellektualität).
"An die Wahlurnen!" lautete die Antwort der institutionellen Linken und, mit dem "Lächeln, wir werden gewinnen", luden sie uns ein, alles aufzuschieben, mitsamt der rebellischen Würde, um den Triumph durch nichts zu trüben.

Der gegenwärtigen Geschichte gegen den Strich fahrend, lächelte die Andere Kampagne nicht, organisierte ihre Wut und ihre Entrüstung, und mobilisierte sich, selbst am heiligen Tag der Wahlen, mit dem Ruf "Freiheit und Gerechtigkeit für Atenco!".
Durch die Kombinierung von Mobilisationen mit der juristischen Strategie der gesetzlichen Verteidigung unserer Gefangenen wurde die Befreiung hunderter Compañeras und Compañeros erreicht. Etwas, das wir manchmal vergessen, da der Schmerz darüber, weiterhin 28 Compañeras und Compañeros in den Gefängnissen von Almoloya, Santiaguito und Texcoco zu haben, diese Tatsache trübt.
Zu dem kommt die Schmach des illegalen Urteils zu 67 Jahren Gefängnis, das gegen unsere Compañeros Ignacio Del Valle, Felipe Álvarez und Héctor Galindo verhängt wurde. Darüber haben wir nur das bereits Gesagte zu bekräftigen: Sie werden lange vor dieser Zeit freikommen, und ihre drei Plätze werden von Vicente Fox, Enrique Peña Nieto und Eduardo Medina Mora eingenommen werden.

In Oaxaca geschah etwas Ähnliches. Auf der Taschenmesserklinge der "Neutralität" und "Objektivität" tanzend, schaffte die progressive Intellektualität durch die Hand der großen Massenmedien das Unmögliche, nämlich die direkten Aktionen der APPO und verwandten Gruppen mit der brutalen Repression der Präventiven Staats- und Bundespolizei zu vergleichen.
Für da oben sind ein Panzer, ein Maschinengewehr und ein Hubschrauber mit einer Schleuder, einem Molotowcocktail und einem Farbspray gleichzustellen.

"Die APPO muss Selbstkritik betreiben!", schrieen sie - während die Gefangenen wie in den Zeiten von Porfirio Díaz außer Staates geschaffen wurden; während die Vermissten, während die Geschlagenen, während die Ermordeten die Wahlsaison abwarten mussten, um im Kurs zu steigen und zu sehen, ob die Gerechtigkeit sich dann mit Ämtern und Positionen bezahlt machen würde.

Und dann kam die Wahlsaison. Und mit ihr der süße Betrug der Vorkandidaturen. Nicht wenige haben mit außergewöhnlicher Begeisterung nach dem Angelhaken geschnappt, in der Hoffnung, dass die politischen Parteien sich nach der sozialen Bewegung richten würden und nicht nach den Umfragen. Aber die Wirklichkeit steht in den Medien nicht hoch im Kurs, und schon zeichnen sich Enttäuschungen und Demoralisierungen ab.
Den Toten bleibt die Linderung durch die Bestrafung ihrer Mörder weiterhin versagt, die Verschwundenen bleiben verschwunden, und die Gefangenen werden tropfenweise freigelassen, erhalten rechtswidrige und illegale Anklagen und Urteile oder ihre Zahl steigt.

In den letzten Tagen wurde unser Compañero der Anderen Kampagne David Venegas festgenommen, der der Bande auch als "El Alebrije" bekannt ist. Einer bereits fest eingebürgerten Praxis folgend wurden ihm Drogen untergeschoben, um ihn zu belasten. Und jetzt, wie er uns selbst in einem Brief erzählt, bietet man ihm die Aushandlung seiner Freilassung an, unter Drohungen gegen ihn und seine Familie.

Eng verbunden mit dem von David Venegas ist der Fall der Compañeras und Compañeros der "Stimmen von Oaxaca für den Aufbau von Autonomie und Freiheit" (abgekürzt VOCAL), gebildet von einigen Gruppen und Kollektiven anarchistischer und libertärer Strömungen, denen David Venegas angehörte, darunter, um nur zwei zu nennen, das Kollektiv "Tod@s Somos Pres@s" ["Wir alle sind Gefangene"] und der Indigene Volksrat von Oaxaca - Ricardo Flores Magon (CIPO), der dem Nationalen Indigenen Kongress angehört und Mitveranstalter des Kontinentalen Encuentros der Indigenen Völker ist.
Diese Compañeras und Compañeros werden außer vom Staat auch von angeblich linken politischen Organisationen kriminalisiert, angeklagt und verfolgt, wie die so genannte Marxistisch-Leninistische Revolutionäre Volksfront - PCM, die sich als Anhänger der Anderen Kampagne bezeichnen, wenn es sich gerade lohnt, und sich von ihr lossagt und auf Distanz geht, wenn das nicht der Fall ist. Diese Leute warten es gar nicht erst ab, die Macht zu ergreifen, um Anarchisten und Libertäre zu verfolgen, sondern verbünden sich mit denjenigen, die sie zu bekämpfen vorgeben, um jene zu verfolgen, die anders denken und eine andere Vorstellung von der zukünftigen Gesellschaft haben und für sie kämpfen.

Oaxaca bleibt weiterhin ohne Freiheit und ohne Justiz. Ulises Ruiz bleibt weiter im Amt. Von dort aus bewegt er die Fäden des gesamten Wahlprozesses und hat seine Hand in den politischen Parteien, einschließlich der institutionellen Linken. Diese Tatsache zu denunzieren bleibt jenen vorbehalten, die im Verdacht stehen, "der Rechten in die Hand zu spielen" und "Felipe Calderon zu Diensten zu sein", also den Angehörigen der PRD selbst.


II. DIE REPRESSION ALS KOSTENLOSER WERBESPOT

Nach Meinung der EZLN zeichnet sich nach Atenco und Oaxaca ein neues Phänomen ab:
Bei der Zerstörung des mexikanischen Nationalstaates, stehen nicht nur die Unabhängigkeit und die Souveränität auf der Verlustliste, sondern auch die politische Kohäsion. Wenn das Präsidialsystem früher das Rückgrat des Systems bildete, hat der Übergang vom politischen Auftrag zum Werbeauftrag, der sich mehr mit den Schwankungen des Wahlmarktes beschäftigt als mit dem Regieren, unser Land dazu gebracht, wie ein ungeordnete Inselgruppe zu wirken.
Wie ein tödlich verwundetes Tier, schlägt der Nationalstaat wild um sich. Der Nationalstaat ist bereits schon in Fetzen und kann seine wahre gewalttätige, rechtswidrige und illegale Natur nur schwerlich verbergen. Verwundet und der Rolle der Massenmedien unterworfen, hat er die Regierungsarbeiten bereits aufgegeben und sich der Repression zugewendet, subtil oder offen, selektiv oder massiv, aber stets plump, rechtswidrig und illegal.

Ohne einen nationalen Referenten und Einiger, haben sich größere und kleinere Lehen gebildet. Manchmal handelt es sich um Bundesstaaten, manchmal um eine oder mehrere Regionen innerhalb eines Bundesstaats. In diesen Lehen haben die postmodernen Herren die früheren Bundesstaaten und Bezirke in kleine Länder verwandelt. In ihnen haben sie ihre Allianzen und Bündnisse geschlossen, nicht nur mit dem organisierten Verbrechen, deren politischer Arm sie sind, sondern auch mit dem großen transnationalen Kapital, das Privilegien und Pfründe im Austausch für nicht allzu verborgene Unterstützungen handelt.

Durch den medienwirksamen Einsatz der Bundesarmee im Kampf gegen den Drogenhandel zu Helden aufgespielt, testen die Stammeshäuptlinge und Vizekönige in den Staaten und Regionen der Mexikanischen Republik ihre "Publizitätserfolge": Marcelo Ebrard in D.F., Peña Nieto im Bundesstaat Mexico, Marcelo de los Santos in San Luis Potosí, um drei Bundesstaaten zu nennen, die von jeweils der PRD, der PRI und der PAN "regiert" werden. Die Unterdrückung wird bereits nicht mehr vor den Medien verborgen. Im Gegenteil, oftmals wird sie eigens für sie veranstaltet.
Es hat sich gezeigt, dass mit einem repressiven Schlag mehr Sendeminuten in Funk und Fernsehen, und mehr Seiten in Tageszeitungen und Magazine zu ergattern sind, als mit einer monumentalen Ankündigung oder mit einem Radio- oder Fernsehspot... und das auch noch, ohne für die Werbung zahlen zu müssen.
Und darin unterscheiden sich die PRI, PAN und PRD in gar nichts.

Die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften und der Abtreibung haben die Repressionen gegen die soziale Bewegung in der Hauptstadt des Landes verhüllt, ganz besonders gegen das würdige Viertel von Tepito, wo die Massenmedien, wie in anderen Fällen, Funktionen der Staatsanwaltschaft übernahmen und ehrliche Menschen und Arbeiter als "Drogenhändler" bezeichneten. All das, um mit Waffengewalt ein Gebiet zu erobern und es demjenigen auszuhändigen, dem seine post-elektorale Untreue bereits vergeben wurde: Carlos Slim Helú.

Und hier nutze ich die Gelegenheit um etwas Werbung für das Offene Forum Tepito zu machen:
"Volk von Mexiko!
Seit dem schändlichen 14. Februar 2007, möchte Marcelo Ebrard 38.000 Einwohner ins Exil treiben und das Stadtviertel von Tepito den großen nationalen und ausländischen Kapitalen, wie Carlos Slim, Deportes Martí und Noria übergeben. Das Ziel unseres Kampfes ist es zu verteidigen: die Arbeit, die Wohnung, das Stadtviertel.
Der Laden TEPITO bleibt weiterhin offen mit den besten Preisen im Land; von 8 Uhr morgens bis 7 Uhr abends, die ganze Woche.
NEIN ZUM NATIONALEN UND AUSLÄNDISCHEN KAPITAL, DAS SICH DES STADTVIERTELS BEMÄCHTIGEN WILL!
NEIN ZUR HAUPTSTADT-REGIERUNG, DIE UNS AUS UNSERER GEMEINDE AUSSTOSSEN WILL!"
(Ende der Werbeeinschaltung)

Die Unterdrückung hat wechselnde Farben, die die "linken" politischen Analytikern "verwirren": wenn die Repression von der PRD ausgeht, wird für sie das Recht durchgesetzt; wenn sie von der PRI oder der PAN ausgeführt wird, ist sie ein Verbrechen ... auch wenn kein allzu schweres, da man sie zur Stunde der elektoralen Allianzen leicht vergessen kann.
Und da ist Oaxaca nur ein weiteres Beispiel.

Ich hasse es zu sagen, dass ich es ja gesagt habe, aber ich habe es gesagt: Die zaghafte Reaktion der progressiven Intellektualität gegenüber den repressiven Schlägen ihres zukünftigen "Führers" und Präsidentschaftskandidaten für 2012, Marcelo Ebrard, ist nur ein Vorgeschmack darauf, wie sie sich gegenüber den Schlägen seitens der Bundesexekutiven verhalten hätten, wenn die PRD ihr Wahlziel erfüllt hätte.
Wie auch immer, wir müssen damit rechnen, dass diese Medienbegeisterung für das Blut und den Schmerz von unten noch eine ganze Weile anhalten wird, bevor sie abebbt (so wie sich das bereits im Beispiel des Einsatzes der Armee im Kampf gegen die Drogenmafia zu abzeichnet).
Wir müssen damit rechnen, dass noch mehr Schläge folgen werden, mehr Gefangene, mehr Tote... und uns darauf vorbereiten.


III. - WAS KOMMEN WIRD: EINE ANDERE STRATEGIE GEGENÜBER DER GLEICHEN REPRESSION.

Obwohl die repressive Strategie auf nationalem Niveau den Zeiten und Rhythmen der Massenmedien folgt, kann die dringende Notwendigkeit einer Strategie von unten und links um dieser Unterdrückung zu begegnen, diesen Schwankungen nicht folgen; oder denen der linken politischen Organisationen, die sich nur für die Unterdrückung interessieren, wenn sie sie selbst erleiden.

Wir können weder die Leute anlügen noch uns selbst. Wir werden entlang dieses Weges viele Schläge, Schmerzen und Verluste einstecken müssen. Dazu kommt das Beihilfe leistende Schweigen, die Verständnislosigkeit und die Engstirnigkeit. Wir müssen darauf vorbereitet sein.
Was ist also zu tun?

Uns erscheint es klug, und als etwas, das wir ohne zu zögern unterstützen sollten, was der RAT DER EJIDOS UND GEMEINDEN GEGEN DEN STAUDAMM LA PAROTA (CECOP) leistet. Sie warnen uns davor, dass die Bundes- und Staatsregierung (die nebenbei gesagt der PRD angehört) eine Strategie der Provokation verfolgen, illegal und einschüchternd, dass sie beabsichtigen, falsche Versammlungen abzuhalten, um ihr Zerstörungsprojekt aufzuzwingen.
Die Compañeros und Compañeras des CECOP rufen uns dazu auf, sie mit zivilen Beobachtungsmissionen zu unterstützen, die diese provokative Strategie neutralisieren und den Frieden eines Volkes garantieren, das bereits schon legitim und gesetzlich den Baustopp des Staudamms durchgesetzt hat.
Man muss nicht erst darauf warten, bis es in La Parota Tote, Gefangene und Geschlagene gibt, um sie zu sehen und zu unterstützen. Wir sollten diese Beobachtungsmissionen in die Wege leiten und das "ihr seid nicht allein", das auf Märschen und Treffen gerufen wird, in Taten wiederholen

Zusätzlich zu denen von Atenco und Oaxaca, gibt es bereits schon Dutzende gefangene Männer und Frauen, die Compañeras und Compañeros der Anderen Kampagne sind. Aber wir haben das Gefühl, dass ihre Benennung und die Verfolgung ihrer Fälle eine Last gewesen ist, die bisher fast ausschließlich von der EZLN getragen wurde.
Es ist für uns eine Pflicht, und wir werden sie erfüllen. Aber wir sehen nicht, weshalb der Kampf um die Freiheit unserer Gefangenen darauf warten muss, dass die EZLN eine Erklärung abgibt oder das erlittene Unrecht publik macht.

Es gibt unserer Meinung nach auch andere dringende und notwendige Aufgaben:

1. - Die Schaffung einer landesweiten - wirklich landesweiten - Instanz gegen die Repression, das heißt, nicht nur um die Unterdrückung zu denunzieren, sondern auch um ihr vorzubeugen. Diese Instanz, die KOMMISSION oder FRONT oder NATIONALFORUM GEGEN DIE REPRESSION heißen könnte, soll im Gegensatz zu der, die aus dem letzten Treffen hervorgegangen ist, ein Echo, ein Verstärker sein. Nicht selektiv, sondern umfassend, denn es hat sich gezeigt, dass nur bestimmte Gefangene Aufmerksamkeit erhalten und Aktionen für sie gemacht werden, als ob einige von ihnen wichtiger wären als andere. Sie soll keine Organisationen, Gruppen oder Bewegungen verdrängen, sondern als Identifikator für das wer, wo, was und weshalb dienen.
Da es dringend ist, meinen wir, dass wir uns spätestens in der ersten Juniwoche, in ungefähr einem Monat, wenn die Delegationen der Sechsten Kommission ihre Reise im Norden Mexikos beendet und sich in der Hauptstadt des Landes versammelt haben werden, als Organisationen, Gruppen, Kollektive, Familien und interessierte Individuen versammeln sollten, um diese nationale Instanz gegen die Repression zu konstituieren und umgehend ihre Arbeit aufnehmen zu lassen.

2. - Die Ergreifung von minimalen Sicherheitsvorkehrungen. Die Repression ist etwas, dass nur dem und der anderen passiert ... bis wir dann selbst zu diesem und dieser anderen werden. Wir denken, dass ein intensiver Informationsaustausch innerhalb der sogenannten organisatorischen Arbeitseinheiten und untereinander notwendig ist. Um zu wissen, womit wir es zu tun haben, was wir tun werden, nicht um sich in die Entscheidungen oder autonomen Aktivitäten jedes einzelnen einzumischen, sondern um auf alles vorbereitet zu sein.

3. - Vorkehrungen treffen, um den Zusammenhalt der verschiedenen Gruppen, Kollektive und Organisationen zu garantieren, auch wenn ihre Leiter unterdrückt werden. Seit den Vorbereitungstreffen und in der ersten Vollversammlung der Anderen Kampagne im September 2005 warnen und raten wir Gruppen, Kollektiven und Organisationen dazu, eine Art interner Einstufung vorzunehmen, so dass falls jemand, der eine bestimmte Arbeit verrichtet, ein Opfer der Repression wird, ein anderer oder eine andere diesen Platz einnehmen kann. Erinnern wir uns, dass die repressive Strategie des Staates besonders die bekannten Gesichter oder die organisatorische Leitung anvisiert. Aus diesem Grund halten wir Ablösungen für dringend und notwendig.

Vielleicht sollte man uns nicht allzu viel Beachtung schenken, schließlich haben wir Zapatisten ja fast überhaupt keine Ahnung von Repression, aber falls irgendjemand denkt, vielleicht, wer weiß, ist schon möglich, kann schon sein, falls irgendjemand irgendwas auf uns gibt, das ist es, was wir als dringend erachten.


IV. EINE BEKRÄFTIGUNG

Die Delegierten Fünf und Vier, auch bekannt als La Lupita, Comandanta Hortensia und Compañero Amos, werden wieder in die Berge des mexikanischen Südosten zurückkehren.
Sie gehen mit der Zufriedenheit, das zu Wort gewordene Herz unserer Gemeinden gebracht zu haben, und die Gefangenen wissen zu lassen, dass wir weder sie noch uns aufgeben.
Vielleicht werden sie, wie schon auf dem Weg hierher, an einem militärischen Wachposten aufgehalten oder die Ministerielle oder Staatliche Polizei will sie schikanieren, wodurch ihre Reise gefährlicher wird. Vielleicht auch nicht, vielleicht kommen sie ohne irgendwelche Unannehmlichkeiten an.

Und wenn ich jetzt darüber denke, fällt es mir ein, dass die Andere Kampagne ganz gut dabei ist, wenn es darum geht die Unterstützung der EZLN zu fordern und zu verlangen, aber eher flau und zurückhaltend, wenn es darum geht, sie ihr anzubieten.
Schon seit Monaten, haben wir die Angriffe von Paramilitärs verschiedener politischer Zugehörigkeiten ausgehalten, und abgesehen von einigen wenigen Gruppen, Kollektiven und Organisationen (darunter jene, die sich zur Konferenz der Progressiven Antikapitalistischen Linken Organisationen - COPIA zusammengeschlossen haben), die sich öffentlich in einer Verlautbarung zu Wort gemeldet haben, hat die überwiegende Mehrheit der Anhänger, einschließlich derer, die uns am meisten anklagen und kritisieren, weil wir nicht tun, was sie uns sagen, das Schweigen bewahrt und tut es weiterhin.

Vor einigen Tagen wurde die Delegation der Sechsten Kommission, die derzeit ihre Arbeit im Nordosten des Landes verrichtet, von der Bundesarmee festgenommen, und ihre Fahrzeuge wurden durchsucht. Wir machten dies in einem Kommunique öffentlich, das auf den 30. April datiert. Das Schweigen kam nicht nur von den Massenmedien, sondern auch von der Anderen Kampagne.
Andererseits gibt es viele Briefe und Plädoyers, die den "Autoritarismus" und das "Sektierertum" der EZLN anprangern und noch ein paar andere Sachen, die auf "ismus" enden und mir jetzt gerade nicht einfallen.

"Na schön", sagen wir. Wie ihr es schon durch die Stimme von Amos und der Comandanta Hortensia hörtet, machen wir unsere Kameradschaft nicht von Bedingungen abhängig.
Wie wir schon vor einiger Zeit sagten, wir sind bereit all dies auch alleine zu tun.
Wir werden weiterhin alles in unsere Macht stehende tun, um euch zu unterstützen und uns mit euch zu solidarisieren. Wir werden weiterhin eure Kritik und Beschwerden entgegennehmen.
Und wir werden weiterhin jedes mal mit Skepsis lächeln, wenn wir als Adressaten das "Ihr seid nicht alleine" zu hören kriegen, das die andere Geografie unseres Landes durchreist, das sich Mexiko nennt, und so groß ist, dass es in das Heute, das uns schmerzt, gar nicht hineinpasst, sondern bereits einen Platz in dem Morgen einnimmt, den wir uns erträumen.


V. - WEIT ENTFERNT, IN UNSER HERZ ...

Unsere Chefs und Chefinnen, die Wächter, haben die Fähigkeit, viel weiter sehen und blicken zu können, weit über den Ort hinaus, an dem die Kalender der Erschöpfung anheim fallen.
Die Welt, die andere Traum nennen, ist das, was wir, die Zapatisten und Zapatistinnen, in unserer Brust tragen. Da wo ihr euer Herz führt, tragen wir eine Welt, die kommen wird.

Wenn wir erzählen könnten, was dieser Traum enthält, es malen, singen oder tanzen könnten, würden kleine Jungen und Mädchen darin erscheinen und lächeln, das ist sicher. Das Wasser wäre rein, die Bäume und die Blumen lebendig und die Luft eine Tanzfläche für Vögel und Lieder. Die Gefängnisse wären Vorratskeller, die Gerichte wären Kunstzentren, und die Streifenwagen und Busse der Polizei wären vorgeschichtliche Ungeheuer.

Und vielleicht würden wir da die Lupita, unsere Delegierte Fünf-ein-Viertel dabei sehen, wie sie die Hausaufgabe erledigt, die sie sich jetzt zu tun weigert, da sie, wie sie zu Amos sagte (der, wie ich jetzt erfahre, ihr Lehrer ist), diese nicht zu Ende machen konnte, weil - und ich zitiere wörtlich: "Ich gehe jetzt nach México, um den Bürgern politischen Unterricht zu geben und den Gefangenen Mut zu machen".

Mmh ...
Vielleicht ...

Aber es gibt da noch was, das sicher ist: In dem Bild, das dieser Traum enthält, kommen wir Zapatisten nicht vor.
Wir wussten es stets, wir wissen es. So sagten es uns die Wächter.
Wir kämpfen für eine Welt, die wir niemals sehen werden... an der wir nicht teilhaben werden. Und trotzdem lohnt es sich. Oder nicht?

Vale. Salud, und auf dass die Gerechtigkeit wieder zu etwas so Gutem und Alltäglichem werde, wie die Sonne, die jeden Tag aufgeht.

Subcomandante Insurgente Marcos


PS: "Wann", fragt jemand. Der Schatten antwortet nicht, aber er weiß, dass es an jenem Ort sein wird, an dem Licht und Schatten eins werden: im Morgengrauen. Dann wird das Licht hell erstrahlen, und die Schatten, die wir sind, werden in dem Morgen aufgehen, das wir brauchen, das wir verdienen.