Klarstellungen gegenüber PRD-Mitgliedern und Entschuldigung bei feministischen Organisationen


An alle UnterstützerInnen
der Sechsten Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald
An alle Teilnehmer des Vorbereitungstreffen für Personen in Vertretung ihrer selbst, ihrer Familien, Straßen, Stadtviertel oder Gemeinden:


Compañeros und Compañeras,

Wie ihr wißt, mußte ein Teil der Teilnehmer des letzten Vorbereitungstreffens abreisen, bevor alle Präsentationen der Beteiligten zu Ende gebracht werden konnten: Daher waren wir nicht in der Lage, unsere Abschiedsworte zu sprechen. Deshalb bringe ich hier einige der Kommentare ein, die wir für das Ende dieses Treffens vorbereitet hatten.
Obwohl die Teilnehmer nicht einmal die Hälfte derer repräsentierten, die sich der Sexta und der "Anderen Kampagne", als Individuen und Familien angeschlossen haben, könnte man sagen, daß ihre Positionen für die ihrer Compañeros und Compañeras repräsentativ waren.

Ein Teil davon sind Menschen, die sich als Individuen oder in Gruppen und Kollektiven, die inzwischen verschwunden sind, direkt an zapatistischen Initiativen beteiligt haben, von Friedenskreisen und Karawanen bis hin zu Consultas [Befragungen] und Märschen, der CND [Nationale Demokratische Konvention 1994], den Foren, internationalen Encuentros [Treffen] und Projekten in den indigenen Gemeinden. Diese Compañeras und Compañeros wissen, daß sie immer einen Platz in den zapatistischen Vorschlägen hatten, und nun nähern sie sich wieder an, mit der Gewißheit ihn wiederzufinden. So soll es sein.

Ein weiterer Teil sind jene Personen, zumeist junge Menschen, die sich erst kürzlich dem Neozapatismus genähert haben, ein wenig skeptisch und sehr mißtrauisch, da ihre Kontakte mit politischen Organisationen zumeist nicht glücklich verlaufen sind. Sie haben sich genähert, weil ihre Verwandte oder Freunde mit ihnen über die Bewegung geredet haben, und sie suchen nach einer Antwort für eine kleine, aber ausschlaggebende Frage: "Gibt es hier einen Platz für mich?" Diesen Personen antworten wir, daß wir jede Anstrengung unternehmen werden, um zu gewährleisten, daß sie diese Frage bejahen können.

Unsere Erfahrung hat gezeigt, daß die Personen, die sich auf individueller und Familienebene engagieren, im allgemeinen ehrlich, edel und gewissenhaft sind. Jene, die in politischen Organisationen aktiv sind, die Aktivisten in sozialen Bewegungen sind und professionelle Arbeit in Nichtregierungsorganisationen, Gruppen und Kollektiven leisten, haben ihnen - was Hingabe und Ernsthaftigkeit angeht - nichts voraus. Wenn sie auf einer individuellen Basis oder als Gruppen nur für bestimmte Aufgaben zusammenarbeiten, dann weil sie auf diese Weise besser arbeiten oder weil sie sich innerhalb von Organisationen gehemmt oder eingeschränkt fühlen. Wie wir in unseren Worten zu Beginn sagten, es gibt Personen, die in sich selbst ein Kollektiv sind. Jene, die nun die Sexta und die "Andere Kampagne" als Individuen oder Familien unterstützen, sind Kollektive in mehr als nur einem Sinn des Wortes. Als Individuen und individuelle Kollektive - seid willkommen!

Abgesehen davon gibt es die Anwesenheit von Aktivisten politischer Parteien, insbesondere der PRD, was hier auf diesem Treffen der Fall und auch bei früheren Treffen der Fall gewesen ist, wenn auch nicht so stark ausgeprägt. Natürlich haben sie das bei ihrer Ankunft nicht so angegeben, statt dessen warteten sie ab und je nachdem ob sie dachten, die Atmosphäre sei günstig, sagten sie es oder blieben still. Darüber möchte ich folgendes sagen:
Die Sexta ist in dieser Beziehung völlig klar. Jene, die in registrierten politischen Parteien aktiv sind, das heißt, Parteien, die auf eine parteistrategische Weise für den Wahlkampf eingetragen sind, sind nicht aufgerufen. Wir laden sie nicht ein. Wir sind in keinster Weise daran interessiert, mit ihnen zusammenzuarbeiten und als Zapatistas der EZLN werden wir es auch nicht tun.

Wir haben erklärt, daß wir die Entscheidungen der politischen, indigenen, sozialen, Nichtregierungs-, kulturellen, künstlerischen, individuellen und anderen Organisationen bei den kommenden Wahlen respektieren. Und das werden wir auch tun. Aber es ist eine Sache, wenn sich eine autonome und unabhängige Organisation dafür entscheidet, eine Partei oder einen Kandidaten zu unterstützen, und etwas völlig anderes, wenn eine dieser Wahlparteien sich direkt an der Sexta und der "Anderen Kampagne" beteiligt. Lasst mich daran erinnern, was die Sexta sagt, Wort für Wort: "Wir laden politische und soziale Organisationen der Linken ein, die nicht registriert sind, und jene Personen, die sich selbst als Links betrachten, die keiner registrierten politischen Partei angehören, sich mit uns zu einer Zeit, an einem Ort und auf eine Weise zu treffen, die wir noch vorgeschlagen werden."

Im Fall der PRD - ich weiß nicht, ob sie vom Virus der Tücke angesteckt waren, als sie sich anschlossen, oder was sonst passiert ist - aber einige ihrer Mitglieder haben die Gutgläubigkeit der Zapatistas und die Gastfreundlichkeit der rebellischen Gemeinden ausgenutzt. Trotz der Tatsache, daß wir sie ganz klar nicht eingeladen haben und nicht einladen wollten, kamen sie trotzdem. Und als sie erst einmal angefangen hatten zu sprechen, sagten sie, sie wären von der PRD (und seien mittlere oder niedrige Parteibeamte, oder dabei welche zu werden). Und natürlich konnten wir sie nicht hinauswerfen, schon gar nicht, wenn es regnete und zur Nachtzeit. Und natürlich hatten sie ihre Fotos und ihre signierten Bücher dabei, und vielleicht denken sie, sie seien Freunde und Kumpels, aber ihr wißt und wir wissen, daß dies eine Lüge ist, daß sie durch Tricks hierhergekommen sind.

Da habt ihr's, aber wir sagten ihnen völlig klar, daß wir uns von ihnen verspottet fühlten und daß sie nur versuchten, ihre schmutzigen Tricks zu benutzen, um sich aus der Kritik zu winden, die wir an sie gerichtet haben (und auf die sie immer noch nicht geantwortet haben), bezüglich der Angriffe und Verrate ihrerseits. Und sie sind immer noch zynisch genug zu kommen und uns zu sagen, wir sollen nicht so sein, daß sie uns einladen in ihre Viertel und Apartments und Häuser zu kommen. Sie sollten sich ein Beispiel an dem Compañero nehmen, der - obwohl er jede Position in der PRD-Führungsspitze haben konnte - aus der Partei austrat, die Sexta unterstützte und sich der "Anderen Kampagne" anschloß.

Natürlich sagten wir ihnen, daß wir nicht wollten, daß sie kämen, daß wir mit Leuten, die von der PRD, der PRI, der PAN, oder irgendeiner anderen "institutionellen" Partei kommen, nicht zusammenarbeiten wollten. Jetzt gerade wird die "Andere Kampagne" nach den Kriterien organisiert, die von der Sechsten Erklärung festgesetzt wurden. Es könnte sich etwas ändern, wenn alle Beteiligten das so entscheiden, aber wir sagen ganz klar, daß wir gegen den Eintritt aller Aktivisten, oder wie auch immer sie sich nennen, irgendeiner registrierten politischen Partei stimmen werden.

Es ist egal, ob sie uns "Spalter" nennen, ob sie uns "Acht Kolumnen" widmen oder welche Artikel und Cartoons sie wollen. Wir sehen lieber nach Spaltern aus, als Betrüger und Schufte zu sein. Sicher könnten sie uns hereinlegen, wie damals als sie sich als Trittbrettfahrer eingeschlichen haben. Oder sie könnten denken, daß sie uns hereinlegen, wenn sie - die Synonyme sozialer Organisationen ausnutzend -, Dokumente vorlegen, die sie beim Lesen umändern, damit sie nicht sagen, sie seien eine parteieigene Struktur der PRD. Oder sie schleichen sich bei bilateralen Treffen innerhalb politischer Organisationen ein, mit denen wir interessiert sind Allianzen zu schließen.

Ganz egal, wir werden nirgendwo hingehen, wohin sie uns einladen. Es spielt keine Rolle, ob sie bessere Häuser oder Dienstleistungen oder Büros oder Auditorien oder Fahrzeuge haben oder daß sie viele Menschen kontrollieren und viele wichtige Positionen innehaben. Wir werden nichts mit ihnen zu tun haben. Wir werden mit jenen zu tun haben, die von Anfang an ehrlich zu uns sind und nicht mit irgendwelchen Betrügern, die sich als etwas ausgeben, was sie nicht sind, damit sie auf beiden Seiten stehen könnten, als ob das möglich wäre.

Ungeachtet wie sie von oben gegen uns losschlagen, Sie wissen, daß ihr Vehikel einer anderen Seite und einem anderen Pfad folgt. Um das Bild einer der Projekte ihrer Kandidaten zu benutzen, ihr Expreßzug reist oben, auf einer anderen Seite, und wird sein Ziel schnell erreichen. Wir werden unten reisen, in einer anderen Richtung, und es wird eine Weile dauern. Also weshalb die vielen Geschichten? Stehen sie denn nicht hoch in den Wahlumfragen und Vorlieben? Wieso wollen sie uns dann, wenn sie uns nicht brauchen? Schämen sie sich kein bißchen, nach allem, was sie uns angetan haben, herzukommen, unsere Gastfreundschaft anzunehmen und mit uns zu essen, mit uns zu sprechen, ohne das, was ihre Partei getan hat, auch nur ein einziges Mal zu erwähnen, ohne verdammt noch mal auch nur einmal "Entschuldigung" zu sagen? Deshalb sage ich ihnen: Kommt nicht, ihr seid nicht willkommen, und wir werden nicht mit euch gehen, auch wenn ihr uns einladet! Schickt alle Briefe, die ihr wollt, aber ihr werdet uns nicht überzeugen, und schon gar nicht mit dieser Art von Schikane. Andererseits lese ich, daß ihr dort eure eigene Front "der Linken" aufbaut, also habt ihr schon einen Platz, an den ihr gehen könnt. Also, genug von diesem Thema.

Allen anderen Personen, die sich selbst, als Familien, Strassen, Stadtviertel, Gemeinden oder Nachbarschaft angeschlossen haben, sage ich, daß sie sich an der "Anderen Kampagne" auf diese Weise beteiligen oder sich zu einer Gruppe zusammenschließen können, ganz wie es ihnen zusagt, auf ihre eigene Art, in ihrer eigenen Zeit und an ihrem eigenen Ort. So gibt es zum Beispiel Wissenschaftler, Künstler, Erbauer oder Forscher, die einen gemeinsamen Ort für Treffen bauen können, oder arbeitslose Jugendliche, Frauen, Lehrer oder Studenten in einer Schule (da gibt es eine Gruppe Professoren einer weiterführenden Schule, die sich gebildet hat, um die Sexta zu diskutieren und sich ihr anzuschließen) und so weiter, ganz wie jeder für sich entscheidet. Es wird einen Platz für euch geben.

Und das ist alles. Fahrt vorsichtig! Wir sehen uns am 16. September oder später, wenn ihr da nicht kommen könnt.

Außerdem werde ich die Gelegenheit ergreifen, folgendes anzukündigen:

- Der 11. September 2005, ist der letzte Tag, um sich der ersten Stufe der Sexta und der "Anderen Kampagne" anzuschließen. Wie wir bereits gesagt haben, werden wir unsere erste gemeinsame Erklärung mit all den Organisationen, Gruppen, Kollektiven und Personen machen, die sich bis zu diesem Datum angeschlossen haben. Später kann sich jeder anschließen, der möchte, aber nach den Kriterien, Orten und Methoden, auf die wir uns mit den ersten Unterzeichnern geeinigt haben.

- Das nächste Vorbereitungstreffen ist mit den anderen, die an keinem der früheren Treffen teilnehmen konnten oder es vorgezogen haben, bis zuletzt zu warten. Ankunft ist am Freitag, den 9. September, das Treffen ist am Samstag, dem 10., und Abfahrt ist am Sonntag, dem 11. September. Treffpunkt ist das zapatistische Dorf Javier Hernández, gleich neben Carmen Pataté, wo das Treffen mit dem Indigenen Organisationen stattgefunden hat. Das Dorf Javier Hernández liegt etwa anderthalb Stunden von Ocosingo entfernt an der Autobahn Richtung San Quintín. Frayba wird sicher Landkarten haben, um alle zu leiten, die es brauchen, und alle zu verwirren, die darum ersuchen.

Falls keine Änderungen in letzter Minute oder etwas Unerwartetes eintritt, wird die erste Vollversammlung der "Anderen Kampagne" am 16. und 17. September stattfinden.


für das Sechste Komitee der EZLN
aus den Bergen des mexikanischen Südostes.
Subcomandante Insurgente Marcos



PS vom 7. September für die Frauengruppe von San Cristóbal, dem Feministischen Kollektiv Mercedes Olivera, dem Zentrum für die Rechte der Frau von Chiapas und El Feminario: Während ich diesen Brief verfaßte, lasen wir einen Artikel in der La Jornada vom 7. September 2005, unterzeichnet von Rosa Rojas. Darin berichtet sie von der Nicht-Übereinstimmung, die sie frei und unzensiert auf dem Treffen für NGOs, Gruppen und Kollektive am 27. und 28. August vorgebracht haben. Dazu haben wir folgendes zu sagen:

Unsere politisch-militärische Struktur hat in den vergangenen Jahren, euch (und nicht nur euch) gegenüber eine ganze Reihe willkürlicher und ungerechter Handlungen verübt. Diese fanden nicht nur in der Region statt, in der ihr arbeitet, sondern praktisch in allen Regionen. Deshalb bitten wir (euch und alle, die wir verletzt haben) öffentlich um Verzeihung, in der Hoffnung, daß ihr edel genug sein werdet, uns zu vergeben.
Wir glauben jedoch, daß es für diese Art von Fehler (und andere), die wir während unserer Geschichte als Organisation gemacht haben, nicht genug ist, sich zu entschuldigen (noch sind die Sanktionen ausreichend, die damals gegen die Befehlshaber verhängt wurden, die für diese autoritären Handlungen verantwortlich waren). Deshalb begannen wir 2001 einen Prozeß der internen Restrukturierung mit dem Ziel, den politisch-militärischen Apparat auf eine fokusierte und irreversible Weise von den zivilen Strukturen der indigenen Gemeinden zu trennen.
Auf diese Weise erkannten wir an, daß die Präsenz unserer politisch-militärischen Kommandanten für die Entwicklung des Widerstandes nicht immer förderlich war und wir nicht selten dazu neigten, Probleme mit militärischen Kriterien zu lösen, die besser mit politischen Kriterien gelöst worden wären. Deshalb (und aus anderen Gründen) wurden die Caracoles und die Räte der Guten Regierung gegründet, und deshalb treffen die Compañeros und Compañeras ihre Entscheidungen jetzt als zivile Autoritäten, unabhängig von und ohne Rücksprache mit irgendeinen militärischen Kommandanten. Alle Arbeiten in den Gemeinden, einschließlich der sehr lobenswerten Arbeit zur Förderung der Frauenrechte, werden nun - und seit zwei Jahren - direkt mit den Räten der Guten Regierung und den Gemeindeautoritäten betrieben. Wir sind nicht länger auf irgendeine Weise darin involviert.
Ihr (und viele wie ihr) werdet in uns nicht länger eine Behinderung eurer Arbeit finden. Ihr werdet nur noch die Billigung und die Zustimmung der Dorfgemeinden selbst gewinnen müssen. Der Grund, weshalb wir euch um ein bilaterales Treffen baten, war, um dies und andere Fragen zu klären, die nicht länger nötig sind. Wir verstehen, durch eure öffentliche Präsentation und nun durch den Zeitungsartikel, daß ihr eine öffentliche Erklärung / Entschuldigung fordert, die wir hiermit vorlegen.
Wir hoffen aufrichtig, daß die Fehler, die wir verübt haben und öffentlich anerkennen, euch in keiner Weise von eurer Arbeit für die Verteidigung und Förderung der Rechte der indigenen und nicht-indigenen Frauen abhalten, und daß ihr in euren Herzen die Güte findet, uns unsere vergangenen Unverschämtheiten zu verzeihen (natürlich mit der Voraussetzung, daß wir uns verpflichten, diese nicht zu wiederholen).

Vale. Salud und Edelmut.


El Sup