Die Kooperative Smaliyel


Die "Kooperative Smaliyel" entstand durch den Zusammenschluß zweier Bewegungen ("Smaliyel / Hoffnung" und "Yaxal 'Chi / Der grüne Hirsch") und umfaßt heute etwa 800 Mitglieder der Indigenen Gemeinschaften im Widerstand und 40 Companeros in Mexiko-City, mit dem Ziel die Selbstorganisation der Dorfgemeinschaften voranzutreiben und die Lebensumstände zu verbessern. Sie besteht aus mehreren Zweigen:

einer Kaffee- und Honigkooperative
mit einem Warenlager zur Verteilung der Produkte,
einer Frauenkooperative,
einer Schuhwerkstatt
und einem autonomen Bildungs-
und Gesundheitsprojekt.

Neben den einzelnen Projektbeschreibungen findet Ihr hier auch aktuelle Berichte über den Fortschritt und die Probleme, die manchmal auftreten.

Und für solidarische Menschen aus dem In- und Ausland gibt es seit 2002 die Möglichkeit, in Arbeitsbrigaden in die Dorfgemeinschaften zu fahren und konkrete Hilfe zu leisten.

Folder Smaliyel (April 2003) (pdf-Dokument)

 




Die Frauenkooperative

Die Frauengruppe der Kooperative wurde erst im August 2001 gegründet. Sie geht von der Initiative einer Handvoll indigener Frauen der autonomen Gemeinde Francisco Gómez in Chiapas aus, denen die wirtschaftliche Organisation und somit auch Unabhängigkeit der indigenen Frauen, die neben der sozialen, politischen und ethnischen Unterdrückung auch unter dem "machismo" ihrer Dorfgemeinschaften zu leiden haben, am Herzen liegt.
Die Frauenkooperative stellt Kunsthandwerk (Taschen, Geldtaschen, Blusen, Taschentücher) her, wobei die Gegenstände selbst genäht, die Stoffe selbst gefärbt und dann bestickt werden.

Parallel dazu hat sich eine Partnerinnen-Frauengruppe in Mexiko-City gebildet, die ebenfalls Teil der Kooperative Smaliyel ist und in Zusammenarbeit mit den Frauen aus Chiapas die Produkte verkauft, die Produktionsmaterialien beschafft, nach Chiapas transportiert und sich regelmäßig mit den Frauen aus Chiapas trifft, um am Projekt zu arbeiten. Im Moment beschränkt sich der Absatzmarkt auf Mexiko-City und Solidaritätsgruppen in Österreich, wo die noch eher geringe Produktion abgesetzt werden kann.

Der Gewinn der Produkte wird von der Frauenkooperative gemeinsam verwaltet und nach dem Konsensprinzip werden Entscheidungen zur Verwendung des Geldes getroffen.
Langfristige Ziele der Kooperative sind vor allem auch die Bildungs- und Bewußtseinsarbeit für Frauen in Chiapas und Mexiko-City, sowie die Ausweitung der Kooperative auf möglichst viele autonome Gemeinden in Chiapas. Durch das Beispiel der Frauen, die jetzt angefangen haben, in der Kooperative zu arbeiten, sollen neue Mitglieder gewonnen und den Frauen neue Möglichkeiten zur Selbständigkeit und Selbstbestimmung aufgezeigt werden.

 

Die Kaffeekooperative

Ein weiterer Teil der Kooperative Smaliyel produziert und vermarktet ökologischen Kaffee und Honig. Durch die direkte Vermarktung der Produkte sollen Zwischenhändler ausgeschaltet werden und den Kleinbauern ein gerechter Gewinn zukommen, sowie die wirtschaftliche Unabhängigkeit der autonomen indigenen Gemeinden verstärkt werden. Außerdem sind die Kleinbauern gewissen Mechanismen, wie z.B. einer erzwungen Integration in paramilitärische Gruppen oder einer obligatorischen Einschreibung in eine Partei, nicht mehr hilflos ausgeliefert.
Ziel ist die Selbsterhaltung der indigenen Dorfgemeinschaften und die Verwirklichung der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Autonomie, die in engem Zusammenhang mit der Erhaltung des ökologischen Lebensraumes und seiner nachhaltigen Nutzung steht.

Im Jahr 2002 wurden etwa acht Tonnen Kaffee und 1200 Liter Honig produziert. Die Produzenten erhalten einen Fixpreis von 14 N$ pro Kilo Kaffee, was ziemlich genau doppelt so viel ist wie die "coyotes" bezahlten. Der Gewinn des Verkaufs kommt zur Gänze weiteren kollektiven Projekten wie dem Erziehungsprojekt zugute.

Ich habe das Mitglied der Kooperative, das ich für diesen Bericht interviewt habe, nach seinen Wünschen und Träumen gefragt. Da hat er nur gelacht und gesagt: "Wenn es um Träume geht, reicht dieses Heft nicht aus, um sie alle aufzuschreiben. Aber wir müssen mit den Füßen am Boden bleiben und immer weiter machen. Jeden Tag kommen wir ein Stückchen weiter."
aus dem Bericht unserer Kontaktperson in Mexico


Hierbei ist anzumerken, daß das gesamte Projekt einen eminent kommunitären Charakter hat. Die Organisation der Kooperative entspricht zur Gänze den traditionellen Organisationsformen der Dorfgemeinschaften. Es ist typisch, daß keine hierarchische Struktur besteht und daß die Verantwortlichen von allen ernannt werden und der Gemeinschaft verpflichtet sind.
Sowohl für die Regierung, als auch für die nationalen und internationalen Großgrundbesitzer und Unternehmer ist diese "Verselbständigung" und Autonomie der indigenen Gemeinden ein großes Problem, zumal ihnen so wichtige Einnahmequellen und die Kontrolle über Bodenschätze, Wasser und Biodiversität in diesen Gebieten verloren gehen.
Darum sind die Mitglieder der Kooperative sowohl in Chiapas als auch in Mexiko-City laufenden Morddrohungen und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt.


Die Kaffeepflanze

Die Kaffeepflanze kommt ursprünglich aus Äthiopien und wurde im Jahre 1796 in Mexiko eingeführt. Die Pflanze konnte sich schnell an das günstige Klima und den fruchtbaren Boden anpassen. Von Anfang an litt der Bauer unter der Ausbeutung in den Kaffeeplantagen und bis heute leben die Arbeiter dieser Plantagen in Armut und halber Leibeigenschaft.
Beim Anbau von Kaffee dauert es ca. 4-5 Jahre bis der Kaffeebaum Früchte trägt.

Der Kaffee, den die Organisation YAXAL CHI vertreibt, kommt aus den Gemeinden Ocosingo, Palenque, Salto de Agua und der Selva Lacandona.
Es handelt sich um organischen Kaffee, weil keine chemischen Düngemittel verwendet werden. Zudem wird noch immer die gleiche Anbauweise gepflegt, die die Indigenen seit jeher kennen. Es werden weder Insektizide noch Pflanzenschutzmittel verwendet, sondern Elemente, die die Natur zur Verfügung stellt.
Der Kaffee dieser Region ist vom arabischen Typ und wird über 2000m Meereshöhe angepflanzt, darum handelt es sich um Hochlandkaffee mit einem starken Aroma und viel Gehalt.


Kaffeeverarbeitung

Die Arbeit wird von Menschen geleistet, die sich mit dem Projekt identifizieren und keinen Lohn verlangen.
1. Enthülsen der Kaffeebohnen (mit Hilfe einer Handmühle)
2. Klassifizierung: Von Hand werden die zerbrochen von den ganzen Bohnen getrennt.
3. Rösten: Dieser Prozeß verlangt am meisten Sorgfalt. Es werden kleine Mengen an Kaffeebohnen über einer Gasflamme geröstet. Während des Röstvorgangs, der zwanzig Minuten dauert, müssen die Bohnen ständig umgerührt werden. Die Qualität des Kaffees hängt schließlich von der Röstzeit, den Klimabedingungen und der Luftfeuchtigkeit ab.
4. Mahlen: Zur Zeit verfügt die Gruppe über eine kleine elektrische Handmühle.
5. Verpackung: Handbedruckte Papiertüten mit dem Logotyp von YAXAL CHI.
6. Verkauf: Hier spielt die Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle. Viele Personen helfen beim Verkauf, ohne dafür Entgelt zu erhalten.


Wie wird der Kaffee zubereitet?

Wasser zum Kochen bringen, die Flamme abschalten, einen Eßlöffel Kaffeepulver pro Tasse hinzugeben, das Gefäß zudecken und warten, bis sich der Kaffee absetzt, das Getränk in eine Tasse sieben - fertig!

 

Warenlager und gemeinsames Geschäft

Hier wurde ein Zentrum des Sammelns, Verteilens, Lagerns und des Verkaufs von Lebensmitteln und Basisprodukten geschaffen, an dem mehrere Dorfgemeinschaften beteiligt sind. Das Zentrum wird von einer Dorfgemeinschaft verwaltet, die von den anderen Dorfgemeinschaften auserwählt wurde.
Die verschiedenen Aktivitäten sollen nun genauer erklärt werden:

Konzentrierung
Die Dorfgemeinschaften geben ihre Produkte, wie z.B. Kaffee, Mais, Bohnen, usw. im Zentrum ab und erhalten dafür einen fairen, fixen Preis, der von den Dorfgemeinschaften ausgemacht wurde. Außerdem besteht die Möglichkeit des Tauschhandels. So können Produkte, die gebracht werden, gegen Basisprodukte wie z.B. Zucker, Seife, Schuhe, Kleidung, Werkzeug, usw. getauscht werden (oder auch gekauft). Diese Basisprodukte werden vom Zentrum zu Großhandelspreisen - ohne Zwischenhändler - erworben.

Verteilung
Die Dorfgemeinschaften beschließen gemäß der Bedürfnisse der Region die Menge der Produkte, die im Zentrum gelagert werden soll und die Menge, die zum Handel und Verkauf in den großen städtischen Zentren bestimmt ist.

Handel und Verkauf
Indem die Dorfgemeinschaften ihr eigenes Wirtschaftssystem ausüben, haben sie die Möglichkeit, die Preise der Produkte aus ihrer Region sowie die der anderen Regionen selbst festzulegen. Sobald fixe, gerechte Preise bestehen, können die Dorfgemeinschaften die Gewinne, die dadurch ermöglicht werden, dazu verwenden, einige der enormen Entbehrungen (darunter auch die Bildung) zu beheben.

 

Das Bildungsprojekt

Die Autonomie im Rahmen der staatlichen Verfassung als Ausdruck der Selbstbestimmung ist neben anderen Forderungen des nationalen mexikanischen Indigenenrates wie Land, Arbeit, Gesundheitsversorgung, Demokratie, Gerechtigkeit und Frieden, ein zentrales Anliegen.
Autonomie bedeutet, daß den indigenen Völkern zugestanden wird, nach eigenen politischen, juridischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Normen und Gewohnheiten, ohne Einmischung des Staates zu leben.
Bei dem 1996 von der mexikanischen Regierung und den Zapatisten unterschriebenen Friedensabkommen wird - zumindest am Papier - diese Autonomie anerkannt. Dabei wurde auch im Bereich Bildung festgelegt, daß der Staat sowohl verpflichtet ist, den indigenen Völkern eine Bildung im Rahmen ihres eigenen Wissens, ihrer Traditionen und Formen zu sichern, als auch die autonomen Bildungsaktivitäten der Indigenen zu respektieren.
In der Region der autonomen Gemeinde Francisco Gómez wurde beschlossen, die Initiative zur Bildung selbst in die Hand zu nehmen und diese auch aus eigenen Mitteln - durch die Kaffeekooperative - zu finanzieren.

Ziel der Bildungsarbeit ist es, der dort lebenden indigenen Bevölkerung die notwendige Allgemeinbildung, aber auch Wissen im historischen, kulturellen und aktuellen politischen Kontext zu vermitteln.
Dazu werden Vertreter der Dorfgemeinden ausgebildet (im Juni 2002 waren es 120), die dann die Kinder auf Grundschulniveau unterrichten sollen.

Im Dezember 2002 konnten bereits 2000 Kinder in 85 Dorfgemeinschaften und drei autonomen Bezirken am Unterricht teilnehmen, es gibt auch eine Bibliothek, die für die gesamte Region eingerichtet wurde und vor allem von den gegenwärtig etwa 90 MultiplikatorInnen genützt wird.
Die MultiplikatorInnen werden von den Dorfgemeinschaften bestimmt und der Unterricht wird als "Dienst an der Gemeinschaft" angesehen, für den nichts bezahlt wird.
Allerdings muß die Gemeinde für den Transport und die Verpflegung während der allmonatlich stattfindenden einwöchigen Fortbildungen aufkommen.
Trotz aller Schwierigkeiten ist das Projekt durch unermüdlichen Einsatz der Beteiligten im Wachsen begriffen und stellt ein Beispiel dar, wie indigene Autonomie auf mehreren Ebenen - wirtschaftlich, politisch und kulturell - gelebt werden kann.

weitere Photos und ein Gedicht
vom Unterricht der promotores

 

Die Arbeitsbrigaden

Im letzten Jahr und heuer fanden bereits vier Arbeitsbrigaden in Francisco Gómez statt, die von Mexiko-City aus von den Partnergruppen von Smaliyel organisiert wurden und 1 bis 2 Wochen dauerten.
Bei jeder Brigade nahmen zwischen 40 und 80 Leuten teil, StudentInnen, ArbeiterInnen, LehreInnen, Arbeitslose, SchülerInnen ... ein gemischtes Publikum.
Die Arbeitsaufgaben bestanden aus der Rodung eines 10 ha Feldes, wo unter anderem Mais für die PromotorInnen des Bildungsprojektes angebaut werden soll, aus der Mithilfe beim Kaffeetransport, Kaffeetrocknen, Aussortieren, außerdem wurden einige Hütten im Aguascalientes verbessert, es wurden Ziegel gemacht, Boden betoniert, die "Cafetería" ausgebaut, Wandgemälde erstellt, Holz gehackt, ein Plumpsklo gebaut, ...
Die Brigaden sollen die Möglichkeit bieten, "konkrete Solidaritätsarbeit" zu leisten und mit den indigenen autonomen Gemeinden in Kontakt zu kommen, aber auch durch die Präsenz der zivilen Gesellschaft den autonomen Gebieten nach außen hin, der Regierung gegenüber, den Rücken zu stärken.
Mitfahren kann prinzipiell jeder, der seinen Beitrag für Busfahrt und Essen zahlt und die Vorbereitungsseminare in Mexiko-City besucht. Um den Aufenthalt in Mexico-City angenehmer zu gestalten, ist die Kooperative gerade dabei, Schlafquartiere einzurichten.

 

Schuhwerkstatt

Außerdem wurde in Francisco Gómez eine Schuhwerkstatt mit Hilfe von Schustern aus Mexiko-City eingerichtet, die ebenfalls die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Gemeinden stärken soll. Die ersten Paare Stiefel wurden bereits produziert und in Mexiko-City vermarktet, da dieser Zweig der Kooperative erst ein paar Monate alt ist, ist die Produktion aber noch gering.

 

Gesundheitsprojekt

Auch erst im Wachsen ist das Gesundheitsprojekt, das den sogenannten "promotores de salud", die Verantwortlichen für die Gesundheit in den Gemeinden, eine regelmäßige Fortbildung und fachmännische Begleitung ermöglichen soll.
Bei der Arbeitsbrigade im März 2002 nahm unter anderem ein Zahnarzt aus Mexiko-City teil, der eine Woche lang die promotores unterrichtete.
Es fehlt hier allerdings noch an menschlichen Ressourcen, obwohl schon einige Kontakte mit interessierten Ärzten aufgenommen wurden.

 

Aktuelle Berichte

März 03 (Brief von Magdalena)
Oktober 04 (Brief von Magdalena)
November 04 (Behörde versucht, das Internet-Café zu schließen)
April 06 (Brief von Christine)